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= Drawlloween Story #4 - Maliboo Scream House (deutsch) =
 
Man muss ja zugeben, KO-35, Mali B-00 klingt nicht wirklich nach einer guten Adresse, aber als Orion den Prospekt für dieses Grundstück gelesen hatte, war er sofort überzeugt.
Ja, KO-35 war eher ein Industrieplanet, geprägt von ethnischer Vielfalt, keiner von denen, die man als Erholungstourist besuchen würde, aber letztere waren genau das, was Orion nicht wollte. So einen, überteuert wie sie sind, hätte er für sich alleine als Austräger der Black Hole Busters Veranstaltungen komplett aus der Portokasse bezahlen können. Dies sollte sein Refugium sein, ein Platz, an dem ihn niemand erwarten würde, wo er aber auch nicht auffallen würde, und wo er auch einmal vor Anrufen von seinen blutsaugenden Exfrauen verschont war. Und diese Stelle sah optimal aus: Das ganze Jahr über gemäßigtes, warmes Wetter, einen Strand vor der Tür, und hinter dem Haus Wälder, Wiesen und die Ausläufer eines Gebirges, die alle zum Wandern oder einem Ausritt einluden. Außerdem war ein nicht zu kleines Städtchen mit einem Hafen ganz in der Nähe, die man wunderbar mit einem kleinen Bootstrip, zur Not sogar in einem halben Stündchen zu Fuß erreichen konnte. Orion brauchte sich den Preis gar nicht genauer anzusehen, Summen unter einem Eurocent waren für ihn die Zeit nicht wert zu lesen, und so schlug er sofort zu.
Das Anwesen war nicht alt, und Orion ließ nur ein paar Umbauten vornehmen. Er nahm sich zur Einweihung einige Tage, an denen keine Sendungen geplant waren, frei, und lud Nicky, seinen Protegé, und Tammy, ihre so-gut-wie Verlobte ein, der persönliche Reformierapparat war gerade installiert worden, die Vorratskammer war gut bestückt, und die Videodatenbank mit Klassikern gefüllt, die die beiden jungen Frauen, so meinte er, bestimmt noch nicht gesehen hatten.
 
Während Orion das Haus erkundete, schließlich war er das erste Mal hier, gingen die beiden Mädels an den Strand. Es war zwar Sommer, das Wasser war wunderbar warm und klar, aber weil es doch eine gewisse Strecke zur Stadt war, waren wenige Leute zum Baden bis hierher gefahren. Und ohne Tammys Ballonmütze als Markenzeichen, und mit Nickys Katzenohren unter einer Badekappe erkannte niemand das Pärchen, das durch Black Hole Busters im halben Universum bekannt war.
Irgendwann wurde es den beiden am Strand zu langweilig, und sie begaben sich in der näheren Umgebung auf Erkundungstour. Als sie wieder zurückkamen, war auch Orion im Wasser gewesen und schüttelte gerade seine Löwenmähne trocken. Es wurde schon langsam dunkel, alle waren hungrig, und sie ließen die automatische Küche etwas zubereiten.
"Vielleicht kann Mama Ihnen ein paar Rezepte geben, ich glaube, sie hat ein kompatibles Küchenmodell", schlug Tammy vor.
"Das wäre nett, aber du kannst ruhig du zu mir sagen, Nicky ist ja fast Familie, und jetzt gehörst du praktisch auch dazu", meinte Orion, und Tammy hob nur den Daumen, da sie nicht wie die beiden anderen von Tellern aß, und das Förderband, das ihren Mund mit Essen versorgte, jetzt endlich angelaufen war.
 
Nach dem Essen setzten sie sich in ein Wohnzimmer, das wie ein kleines Kino gestaltet war. Orion hatte ein paar rare Klassiker aufgetrieben, die er nun vorführte. Der erste war "Trau keinem Erdling", ein Horrorstreifen, in dem Insektenwesen von einer Invasion von der Erde bedroht wurden, der zweite war "00110101 00110102", eine absurde Komödie aus den Anfangsjahren der AI Anarchie. Während sich die beiden Mädels während der meisten Zeit aneinandergekuschelt waren, und jedes Mal zusammen schreckten, als die düstere Musik den gruseligen Anblick von weicher Haut, Augen mit Lidern, Atem aus der Essöffnung, Kleidung oder wallenden Haaren begleitete, musste Tammy den beiden anderen fast jeden zweiten Witz der Roboterkomödie erklären. Beim dritten Film, "Drei Millionen Lichtjahre in Richtung Galaxienhaufen", einem bildgewaltigen Kosmonautenstreifen, der in den Anfangstagen der Besiedlung der Andromedagalaxie spielte, lief sie dann in Hochform auf, und ließ, wie es Nicky beschrieb, "die Purr heraushängen". Purr war es nämlich, die Tammy mit dem Filmfieber angesteckt hatte, und konnte einem zu jedem Film, den sie irgendwie interessant fand, stundenlang mit Hintergrundinfos das Ohr abkauen. Und mangels Nerdneko übernahm Tammy diesen Part in den Sprechpausen, schaffte es aber nicht, wie Purr, keine Spoiler einzubauen.
"Purr, ist das nicht deine Agentin? Die würde ich gerne mal persönlich kennenlernen. Lad' sie doch ein!", schlug Orion vor. Tammy fand das keine schlechte Idee und schickte ihr eine Einladung, bevor sie alle schlafen gingen.
 
Am nächsten Morgen, hatten zwar alle durchgeschlafen und trotzdem waren sie irgendwie erschöpft, und erst nach einer Tasse starkem Kaffee, oder in Tammys Fall, einem fünfminütigem Zug aus der Kaffeepipeline aus der Küche, waren sie wieder fit genug für den zweiten Tag. Orion enthüllte noch, einer alten Tradition aus seiner Heimatwelt folgend, die Spiegel nach der ersten Nacht im neuen Heim, bevor sie sich mit dem Boot auf den Weg zur Hafenstadt machten. Dort fiel Nicky ein Schild auf. Orion hatte sie mit seiner Raumjacht mitgenommen, und nicht verraten, auf welchem Planeten sie sich befanden, und als sie KO-35 las, klingelte etwas bei ihr. Sie hatte ein gutes Namensgedächtnis und kam nach ein paar Minuten auch darauf. Das war doch der Planet, auf dem Tammy's Mutter diese Kaiju - wie hieß sie noch gleich - besiegt hat. Jetzt konnten sie nachprüfen, ob sie nicht geflunkert hatte, und tatsächlich, als Nicky einen der Ansässigen nach einem Kaijuskelett fragte, meinte der nur "Dekaigen, ja gleich im nächsten Hafen." Also schlug Nicky vor, dort das Museum zu besuchen, und wahrhaftig, die Überreste waren so groß, wie sie Patty beschrieben hatte. Auch wenn auf der Infotafel davor Pattys Name nicht angegeben war, so wurde doch klar, dass sie es gewesen sein musste, von der das Museum die Windel abgekauft hatte, um das Skelett zu extrahieren. Orion verrieten die beiden jungen Frauen nichts davon, denn Patty hatte von ihnen an dem Tag, an dem sie ihnen davon erzählt hatte, Stillschweigen abverlangt, und sie waren sich nicht sicher, ob dies darunter fiel. Sicher ist sicher.
 
Zurück von der Städtetour war es schon wieder spät, nur ein Abendessen noch, und alle drei fielen halbtot ins Bett, und schliefen im Handumdrehen ein, nur um mitten in der Nacht durch einen Schrei geweckt zu werden. Es war Nicky, die geschrien hat, sie stand in einem Flur vor einem Spiegel, und wusste nicht, wie sie hierhergekommen war. Orion und Tammy waren auch nicht mehr in ihren Betten, sondern der Schrei weckte sie, wo sie sich gerade befanden: Orion in der Küche, und Tammy am Fenster eines Schlafzimmers, aber nicht dem, in dem sie eingeschlafen war. Irgendwie mussten sie alle drei schlafgewandelt sein, bis Nicky irgendetwas im Traum erschreckte. Es war sehr seltsam, aber alle waren immer noch todmüde, dachten sich nicht allzuviel dabei, und legten sich wieder hin. Zweimal noch passierte dasselbe in dieser Nacht, doch diesmal waren es Orion und Tammy, die den Schrei ausstießen, jedes Mal vor einem Spiegel, und jedes Mal befanden sich die anderen beiden irgendwo im Haus, nur nicht in ihren Betten.
 
Am nächsten Tag blieben sie im Haus, sie waren zu erschöpft, und dösten vor sich hin, das einzige, was sie taten, war sich zum Essen in die Küche zu schleppen. Zum Glück funktionierte das Kochen vollautomatisch. Diesmal legten sie sich schon zur Dämmerung hin, und diese Nacht wurden sie sogar fünfmal von den Schreien eines der anderen geweckt. Langsam wurde es den dreien unheimlich, aber nachdem alle Umgebungsparameter ok waren, keine ungewöhnlichen Chemikalien oder etwas anderes, was das verursachen konnte, vorhanden waren, schoben sie es einfach auf die ungewohnte Umgebung.
 
Am nächsten Nachmittag landete vor dem Haus ein kleines Fernreiseshuttle. Purr hatte die Einladung angenommen, sich den Kurs geben lassen und war vorbeigeflogen, da sie, solange Tammy Urlaub machte, ebenfalls nichts zu tun hatte, was sie nicht als digitale Nomadin tun könnte. Sie war ein wenig erschreckt, wie abgeschlagen die drei Strandhausbewohner aussahen, und wie energielos die Begrüßung Tammys ausfiel, die sonst viel enthusiastischer war, und sagte ihnen, sie sollten sich doch erst mal hinlegen. Die drei waren zu platt, um mit ihr zu diskutieren, also legten sie sich wie vorgeschlagen hin, während Purr noch draußen auf der Veranda den Sonnenuntergang betrachtete.
 
Als Purr wieder hereinkam, wanderten die drei wie Zombies durch die Flure. Purr versuchte sie anzusprechen, aber das, was sie sagten, klang gar nicht nach ihnen. Ihr Universalübersetzer zeigte an, dass die erkannte Sprache eine von KO-35 war. Sie versuchte gerade etwas von Tammy zu erfahren, da ertönte ein schriller Schrei von Nicky, und als sie dorthin eilte, fand sie sie alleine vor einem Spiegel vor.
 
Die drei erzählten Purr, was die letzten Nächte vorgefallen war, und Purr erkannte, dass irgendetwas, was sie im Schlaf im Spiegel gesehen hatten, sie erschreckt haben musste. Also verhängten sie die Spiegel wieder, und die drei gingen wieder schlafen.
 
Als in derselben Nacht Orion als erster aufstand und herumlief, weckt Purr die beiden anderen. Sie musste Orion, oder besser gesagt den Geist, der Orion befallen hat, beruhigen und versuchte sich mit ihm zu unterhalten. Was er sagte, war größtenteils Kauderwelsch, in einer Sprache, die er gar nicht kennen dürfte, aber als er Dekaigen erwähnte, bemerkte Purr, wie sich Tammy und Nicky anschauten.
"Ok, was wisst ihr, das ich nicht weiß?", fragte Purr.
"Können wir dir nicht sagen." Tammy blickte sie verlegen an.
Purr schaute mit einem scharfen Blick zurück. Die Pupillen in ihren riesigen Katzenaugen verengten sich zu Schlitzen.
"Ehrlich, wir haben das Mama geschworen."
Purr blickte sie nun bitterernst an. Ihre Katzenohren bogen sich nach hinten.
"Ja, wir haben geschworen, dass es die Hammerspaceküche nicht verlässt, aber wir können doch Purr ...", meinte Nicky.
"Mama wird ..."
"Es darf die Hammerspaceküche nicht verlassen, waren das die genauen Worte?", fragte Purr.
"Ich glaube, ja", meinte Nicky.
Purr schaute Tammy wieder mit einem durchdringenden Blick an.
"Ja, waren sie."
"Kommt mit." Purr marschierte voran in die Küche des Anwesens, und hinterher trabte eine zerknirschte Tammy und eine verwirrte Nicky. Sie legte einen Schalter um, auf dem HS stand, wartete bis er sich entfaltet hatte, und betrat einen riesigen Raum, der sich bis außerhalb der Sichtweite in alle Richtungen erstreckte. Ein riesiges Raster an riesigen Küchenroboterarmen und gewaltigen Küchenutensilien wiederholte sich bis zur Unkenntlichkeit in der Entfernung.
Nicky ging ein Licht auf. "Ernsthaft?"
"Du müsstest sie doch langsam kennen. Also, ..." Purr stupste Tammy an, und aus ihr ergoss sich die Geschichte, die ihr ihre Mutter an ihrem 25. Geburtstag erzählt hatte, ergänzt durch ein paar Kleinigkeiten, von denen Nicky glaubte, sich besser zu erinnern.
"Ok, eine Kaiju, die ihre Lakaien mit mentalen Fähigkeiten ausstattet", sinnierte Purr. Sie wusste immer noch nicht, was sie davon halten sollte. War das der Geist eines ihrer Anhänger? Unwahrscheinlich, soviel hatte sie dem Kauderwelsch entnehmen können, wohl eher eines der Opfer. Bis vor kurzem hätte sie nicht an mentale Besessenheit geglaubt, aber nach den technischen Errungenschaften der letzten Jahre wurde sie eines Besseren belehrt. Tatsächlich gab es einige renommierte Forscher in der Reformationstechnik, die einen Teil ihrer Funktionsweise auf eine bisher noch unbekannte Eigenschaft des Bewusstseins zurückführten, die sie, mangels besserer Terminologie, Geist oder Seele nannten.
Sie gingen zurück ins Wohnzimmer, wo sich der Geist in Orions Körper am Bildschirm Nachrichten ansah. Mann, den hatte sie ganz vergessen.
"Sind tatsächlich schon 25 Jahre vergangen? Warum bin ich in einem Löwenkörper?", fragte er.
"Oh, Sie können sich wieder erinnern? Wissen Sie, wie sie heißen?" Purr setzte sich neben ihn und legte ihre Pfote beruhigend auf seine Hand.
"Ja, ich heiße Serar Teble."
"Könnt ihr euch um ihn, oder sie, kümmern? Passt auf, dass Orion nicht aufwacht." Purr ging in ein Nebenzimmer, holte ihr Tablet hervor und sprach hinein: "Gab es auf KO-35 einen oder eine Serar Teble, der oder die seit über 25 Jahren vermisst oder verstorben ist?"
Tatsächlich gab es ihn, der Suchbot fand eine Vermisstenanzeige mit ausführlicher Beschreibung und ein Foto von ihm, sogar den genetischen Code zur identifikation konnte sie ausfindig machen. Purr musste etwas ausprobieren.
 
Fünfzehn Minuten später kam sie wieder ins Wohnzimmer, und bat Tammy, ihr helfen. Orions Augen weiteten sich, als sie sahen, was Tammy beim Zurückkommen auf ihren Armen hereintrug. Die Reformierungseinheit, die Orion installieren ließ, falls die Mädchen Appetit aufeinander entwickelten, hatte anhand der Vermisstenanzeige eine Replik seines Körpers hergestellt, ihm aber kein Bewusstsein eingepflanzt. Der Schock war so groß, dass Orion erwachte, und seinen Körper selbst übernahm.
"Jetzt bin ich mal gespannt", meinte Purr. Minuten vergingen, in denen Purr die drei anderen erklärte, was sie im Sinn hatte. Nicky war erstaunt über Purrs Fähigkeiten, aber Tammy meinte sogar, Purr wäre von selbst auf die Idee mit der Reformiertechnik gekommen, aber als sie das Patent anmelden wollte, war es schon vergeben. Nach einiger Zeit hielt Purr ihren Versuch schon für einen Fehlschlag, da begann sich Serars Replik zu rühren. Und im Unterschied zu Orions Körper, an den er sich erst anpassen musste, erlangte sein Geist sofort die Kontrolle über diesen Klon. Serar wusste zuerst nicht, wie er sich fühlen sollte, und fiel, nachdem ihm die Situation geschildert wurde, letztlich Purr um den Hals. "Danke!", sagte er nur, aber dann fing er an zu heulen. Sein ganzes Dorf sei seinerzeit von den Psychos, die Dekaigen anbeteten, unter einen Bann gesetzt, entführt, und hierher an den Strand verschleppt worden, um sie an sie zu verfüttern. Und so machte sich Purr daran, einen Körper nach dem anderen anhand der Vermisstenanzeigen seines Dorfes zu rekreieren, und tatsächlich, die meisten von ihnen wachten, ihre 'Seelen' nicht an einen Körper gebunden und willig in ihre Klone zu schlüpfen, auch ohne Bewusstseinsübertragung noch in der Maschine auf.
 
Und so füllte sich nach und nach das Wohnzimmer mit immer mehr Leuten, die ihre Wiedergeburt feierten, während Tammy die Filmdatenbank durchstöberte. "Wer hat Lust auf 'Die Nacht der lebenden Toten?", rief Tammy in die Runde, Nicky rief zurück: "Das ist ja noch passender als 'Ghostbusters'!" und Purr, die gerade mit dem letzten Wiederhergestellten ins Zimmer kam, glitt sich mit der glatten Pfote über das Gesicht.
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Drawlloween #4 Maliboo Scream House (deutsch) By stratokummulus -- Report

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Für Drawloween, aber geschrieben als Flashfiction im Salvoreger Universum.
(Ein wenig lang diesmal, aber wen schert's?)

#4: Die Wunder des Übersinnlichen und der Technik, kombiniert

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